Zahnärztliche Akademie

Pabst Science Publishers,
Lengerich 2016,


ISBN 978-3-95853-185-4,
Taschenbuch,279 S. 43 graph. Abb., 16 Tab.,
€ 25,-

Professionsentwicklung durch systematische Bearbeitung von Konfliktfällen. Exemplarische Analyse anhand des zahnärztlichen Gutachterwesens.

Kaum eine fachliche Leistung in der zahnärztlichen Tätigkeit ist so von Praxis und Erfahrung gekennzeichnet wie die des Gutachters als Sachverständiger. Sie ist unverzichtbar, birgt jedoch auch die Gefahr, sich auf falsche Wege locken zu lassen. In der universitären zahnärztlichen Ausbildung hat diese verantwortungsvolle Arbeit bisher keinen Platz. Es wird wohl davon ausgegangen, dass das examinierte Wissen des zahnärztlichen Hochschulabschlusses den dazu erforderlichen Sachverstand beinhaltet. Die Praxis lehrt etwas anderes. Die Grenzen der eigenen Kompetenz sind da bald erreicht. Dabei ist die Nachfrage nach zahnärztlichem Sachverstand für gutachtliche Beurteilungen groß mit steigender Tendenz. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung zählt jährlich schon allein mehr als 200 000 Vertragsgutachten in der Bundesrepublik. Hinzu kommen die immer mehr werdenden Aufträge seitens der Gerichte in Verfahren zur juristischen Beurteilung von Klagen in Konflikten, haftungsrechtlichen Angelegenheiten und Strafsachen. Die gestiegene Erwartungshaltung der Patienten, die hohe Anzahl von Rechtsschutzversicherungen, die Einrichtung von Fachanwaltsschaften für Medizinrecht und nicht zuletzt spektakuläre Berichterstattungen durch die Medien sorgen für einen zunehmenden Bedarf an Sachverständigen. Die Profession der Zahnärzteschaft ist somit gut beraten, in dieser Disziplin zahlenmäßig und inhaltlich gut aufgestellt zu sein, um mit der nötigen sachverständigen Kompetenz der Profession der Herren des Verfahrens, den Richtern, ein selbstbewusster und transparent beurteilender Partner sein zu können. Erkennbar professionelle Sachverständigentätigkeit schafft außerdem Vertrauen nach außen.

Hans Ulrich Brauer ist praktizierender Kenner der Materie. Er befasst sich in dem Buch, das eine Inauguraldissertation zum Dr. Phil ist, mit dem derzeitigen Stand des Gutachterwesens in der angewandten Zahnmedizin. Es fußt auf Forschungsergebnissen an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Der Autor ist selbst zahnärztlicher Praktiker, Master of Arts an der o. g. Fakultät nach dem Studiengang Integrated Practice in Dentistry  in Kombination mit der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe. Er hatte anhand von einschlägigen Vorarbeiten erkannt, dass das Gutachterwesen Merkmale eines Gradmessers der zahnärztlichen Professionalisierung aufweist. Verbesserungen in diesem Arbeitsfeld bergen die Potenz zum Fortschritt nicht nur für den Einzelnen sondern auch für die gesamte Profession.

Das vorliegende Buch beginnt in der inhaltlichen Struktur mit den  theoretischen Grundlagen incl. Professionstheorie. Anschließend werden die Konflikte im Bezug zur Professionsentwicklung diskutiert und die empirische Fragestellung zum Thema erarbeitet. Es folgen die methodischen und methodologischen Aspekte im Ergebnis empirischer Studien, als da wären: Fragebogenstudie, Experteninterviews, Gruppendiskussion, und das Expertenfeedback von 30 Teilnehmern an einschlägigen deutschlandweiten Fortbildungskursen. Die Zusammenführung und Diskussion der daraus gesammelten Ergebnisse führten zu in 16 Kategorien organisierten 81 Ideen und diese  zu Lösungsansätzen für die Höherentwicklung dieses hochinteressanten und standespolitisch sowie gesellschaftlich sehr relevanten Teils zahnärztlicher Kompetenz.

Es handelt sich hier um  eine erstmalige systematische Untersuchung des etablierten Gutachterwesens mit einem gemischten Methodendesign. Führend war vorab die Überlegung, dass das Gutachterwesen dazu genutzt werden kann, die Professionsentwicklung des zahnärztlichen Berufsstandes durch den Blick von innen voranzubringen. Ins Zentrum rückte dabei das Selbstverständnis bereits tätiger und mehr oder weniger erfahrener Gutachter, vom Absolventen entsprechender Kursangebote bis zu Gutachterreferenten der Kammern. Im Ergebnis der Forschungsarbeit sieht der Autor seine These bestätigt, dass mit Verbesserungen in diesem Arbeitsfeld ein wesentlicher Beitrag zur Professionsentwicklung geleistet werden kann.

Das Buch ist keine vordergründige Handlungsanleitung zur eigenen, individuellen Gutachtertätigkeit. Dafür ist es zu sehr der Wissenschaft im Grenzbereich Zahnmedizin/Soziologie verpflichtet. Es ist aber eine Herausforderung an vielfach gutachtlich tätige Fachkollegen und richtet sich nach eigenem Bekunden an zahnärztliche Praktiker, an aktive Gutachter und an ihre Standespolitiker. Es ist kompakt geschrieben und stützt sich auf jede Menge Literatur und graphische Darstellungen. Neben der Printversion wird es vom Verlag auch als eBook angeboten.

Prof. Erle, Magdeburg

 


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