Eine Einrichtung der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg | Körperschaft des öffentlichen Rechts
Dr. Wilhelm B. Reiß, M. A.
ln der vorliegenden Arbeit wurde empirisch das Erleben einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit Patienten bei Zahnärzten untersucht.
Dazu wurden mit insgesamt acht niedergelassenen Zahnärzten Interviews zu Entwicklung und Verlauf des Falles geführt. Fünf Gesprächspartner waren Absolventen, einer Student des Master-Studienganges ,,lntegrated Practise in Dentistry" und konnten über einen Aufruf im Master-Network lntegrated Practise in Dentistry e. V. zum lnterview gewonnen werden. Ein weiterer Zahnarzt kam aus der Praxis eines Absolventen, eine Kollegin aus dem eigenen Bekanntenkreis. Es wurden zwei Zahnärztinnen und sechs Zahnärzte befragt, das Lebensalter betrug zwischen 38 und 61 Jahren, die Zahl der Berufsjahre in der Praxis lag zwischen 7 und 36 Jahren.
Die Datenerhebung erfolgt in einem aus 2 Teilen bestehendem lnterview mit narrativer Eingangserzählung und anschließendem Frageteil mittels Leitfaden. Dieses – Kollegengespräch als offenes Leitfaden-lnterview – genannte Format eröffnete die Chancen, das authentische Potential der Erzählung zu nutzen und mit den Möglichkeiten eines strukturierten, stärker interviewer-geführten Leitfadens zu verbinden. Die Auswertung erfolgte mit den Methoden der Narrationsanalyse und der Grounded Theory.
Auf der Basis der Ergebnisse konnte ein theoretisches Modell zum Scheitern der Arzt- Patient-Beziehung im Anschluss an eine zahnärztliche Versorgung aufgestellt werden. Dieses Modell umfasst als Kernpunkte die differierende Beurteilung Behandlungsergebnisses, Eskalation durch fortbestehende Probleme, Belastung Beziehung mit wechselseitigen Enttäuschungen, Auflösung des Behandlungsvertrages und Bruch der Beziehung im Laufe der juristische Auseinandersetzung.
Als typische Belastungen in Verfahren wurden angegeben der große Zeitaufwand, die lange Zeitdauer des Verfahrens, die emotionalen Belastungen wie Verärgerung und Wut, Alleinsein im Verfahren, fehlende Unterstützung, finanzielle Belastungen und das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden.
Die Verfahren selbst endeten dreimal mit Vergleich, je zweimal positiv und negativ für die Zahnärzte, vier waren noch offen.
Als Konsequenzen aus dem Verfahren ergaben sich bei fast allen Befragten Verbesserungen in der Praxisorganisation wie Absicherung durch erweiterte Dokumentation, verbesserte Patientenaufklärung, intensivere Patientengespräche, größere Zurückhaltung bei der Durchführung umfangreicher Versorgungen, verstärkte Fortbildungstätigkeit und verbesserte Kommunikation mit Kollegen. Die Behandlungsmethoden wurden keiner Veränderung unterzogen, es gab aber Verschiebungen bei den Behandlungsschwerpunkten.
Als Ratschläge für betroffene Zahnärzte wurden genannt:
Der entscheidende Einfluss des Gutachters im Verfahren wird von allen Befragten bejaht. Als Folge des Erlebten wird die Forderung erhoben nach Erhöhung der Qualifikation und Ausbildung der Gutachter, regelmäßigen Updates um so eine Qualitätsverbesserung der Gutachten zu sichern.
Von den betroffenen Kollegen wurde der Wunsch nach Unterstützung aus der Profession geäußert, nach einer Art ,,Anlaufstelle", nach einem Gesprächspartner mit dem man sich fachlich zum Fall austauschen kann, mit dem man aber auch über die eigene Gefühlswelt sprechen kann.
Hier ist an die Etablierung eines Beratungsmodells zu denken, eine Kontaktstelle ins Leben zu rufen, in der sich Kollegen mit Erfahrung als Gesprächspartner zur Verfügung stellen.
Weiterhin denkbar wäre die lnstallation einer Gesprächsplattform in Form einer lnternet-Community. Hier könnte zum Beispiel die Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Hilfe leisten.
Die Profession könnte durch Generierung ,,aktiven Vertrauens" die Basis verbreitern für eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Zahnärzten und ihren Patienten.