Eine Einrichtung der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg | Körperschaft des öffentlichen Rechts
Dr. Armin Buresch
In dieser Masterarbeit wurde untersucht, ob die zahnmedizinische Versorgung im antiken Rom nur auf der sogenannten "Dreckapotheke" basierte.
Es galt, die Frage zu klären, inwieweit zur damaligen Zeit nur eine Schmerzbehandlung erfolgte oder ob es bereits prophylaktische Zahnreinigungen und Vorsorgeuntersuchungen gab. Außerdem sollte ermittelt werden, wie die damaligen Römer Zahnlücken versorgten und welche Maßnahmen zur Mundhygiene betrieben wurden. Sicherlich wurde im antiken Rom vielen Krankheiten und (zahn-)medizinischen Problemen mit Magie und Aberglauben begegnet und Versuche unternommen, diese zu heilen und zu lösen. Gewiß wurde auch vieles durch die Volksmedizin behandelt. Dabei kamen Mittel und Stoffe zur Anwendung, welche der sogenannten "Dreckapotheke" zuzuordnen sind und uns heute mit Ekel erregen. Viele der verwendeten Substanzen haben aber Inhaltsstoffe mit einer nachgewiesenen pharmakokinetischen Potenz und hatten daher ihre Berechtigung, zur Behandlung eingesetzt zu werden.
Man kann annehmen, daß diese Mittel und Behandlungsmethoden rein aus der empirischen Erkenntnis Ihre Anwendung fanden. Gerade aber die von Celsus erwähnten Behandlungsmethoden beschreiben einen für die damalige Zeit hohen Standard der (zahn-)medizinischen Eingriffe und des (zahn-)medizinischen Könnens.
Nirgends sind in der (antiken) Literatur Hinweise zu finden, daß es zur damaligen Zeit zahnärztliche Vorsorgeuntersuchungen gab. Es gibt nur öfters Hinweise, wie Mundhygiene betrieben wurde, allerdings finden sich für eine professionelle Zahnreinigung keine Anhaltspunkte.
Alle Beschreibungen zielen auf die Beseitigung von Zahnschmerzen. Herausragende Werke sind die Naturalis historia des Plinius des Älteren sowie die Abhandlung von Celsus "De medicinae" mit vielen Beschreibungen zur Behandlung von Zahn-, Zahnfleisch- und Mundschmerzen. Der "dolor dentium" ist das beherrschende Thema. Gegen den Zahnschmerz werden eine Vielzahl von Behandlungen und Mitteln benannt.
Ziel ist - damals wie heute -den Patienten schmerzfrei zu bekommen. Die Zahnheilkunde wurde im antiken Rom auch schon von Fachärzten betrieben, wenn auch eine klare fachliche Trennung zu den Medizinern vermutlich nicht bestand und das Tätigkeitsfeld der Zahnmedizin besonders aus monetären Gründen ausgeübt wurde. Vornehmlich übten Griechen den Arztberuf aus, die Römer übernahmen viele Behandlungsweisen der Griechen.
Als gesichert kann aber gelten, daß die in der Zahnmedizin Kundigen, worunter auch Frauen waren (18), sich sehr vor Zahnextraktionen scheuten, stellte diese doch ein unkalkulierbares Risiko dar. Somit wurde die Schmerzbehandlung meist auf pharmakologische Weise durchgeführt, wobei eindeutig eine Tendenz zur Polypharmazie bestand. Es finden sich in römischen Gräbern selten Zahnersatz. Möglicherweise war es in der römischen Oberschicht, und nur die konnte sich das teure Handwerk leisten, keine Selbstverständlichkeit, Zahnersatz zu tragen. Zahnersatz war möglich, aber nicht alltäglich. Selbst Plinius der Ältere erwähnt in seiner Naturalis historia die Möglichkeit der zahnprothetischen Versorgung mit keinem Wort. Wurde aber Zahnersatz getragen, so war dieser handwerklich sehr aufwendig, meist mit Goldligaturen angefertigt, was aber auf Übernahme der etruskischen Tradition zurückzuführen ist.
Unklar bleibt die kaufunktionelle Integration des Zahnersatzes in das stomatognathe System. Fakt ist aber der bessere Erhaltungsgrad der Zähne römisch antiker Menschen im Gegensatz zum heute lebenden modernen Menschen. Dies begründet sich weniger in der Mundhygiene, sondern vermutlich darin, daß die Römer nur Honig als Süßstoff hatten, Zucker war zu damaliger Zeit noch unbekannt. Zwar erfreuten sich "dulcia domestica" (hausgemachte Süßigkeiten), welche Feigen, Honig und Datteln enthielten, großer Beliebtheit, sie wurden jedoch meist nur zu Banketten gereicht. Eine kariogene Wirkung auf das Gebiß durch ständige Zuckerzufuhr war somit nicht gegeben.
Ein weiterer Grund für den besseren Erhaltungsgrad der Zähne ist anscheinend die "gesündere" Ernährung (32). Wie bei verschiedenen Autoren zu lesen ist, beispielhaft bei Plinius dem Älteren oder bei Martialis, die in dieser Arbeit erwähnt wurden, betrieben die Römer des antiken Roms eine gewisse Art von Mundhygiene. Diese beschränkte sich aber vor allem auf Spülen des Mundes mit verschiedenen Substanzen (Wein etc.) oder Kauen von diversen Blättern, Decokten oder ähnlichem. Sinn und Zweck war vor allem die Beseitigung oder Vorbeugung des foetor ex ore. Mechanische manuelle Hilfsmittel, wie Zahnstocher, Zahnhölzer und Zahnpulver, waren bekannt und fanden Verwendung. Zahnpulver waren abrasiv ausgerichtet. Die bei Plinius erwähnten "Heilmittel" sind vornehmlich parfümierend geprägt. Die Mundhygiene war eine Notwendigkeit, die regelmäßige Anwendung zeichnet sich ab. Die bahnbrechende Errungenschaft die Zahnbürste kam aber erst in der Neuzeit, aufgefasertes Holz oder Rinde wurde jedoch schon benutzt. Als wahrer Fortschritt gilt jedoch der Drillbohrer des Archigenes, mit welchem er schmerzende Zähne trepanierte (10). Abschließend soll aber noch darauf hingewiesen werden, daß die bemerkenswerteste Leistung der Römer nicht in der Zahnheilkunde, sondern in der Medizin lag, diese aber indirekter Art war.
Angeregt durch die Etrusker, leisteten sie durch den Bau von Wasserleitungen, Kanalisationssystemen und Badeeinrichtungen einen enormen Dienst in der Hygiene und somit der Vorbeugung von Krankheiten. Vitruvius Pollio (1. Jh. v. Chr.) hinterließ in seinem Werk "De architectura" gute hygienische Angaben über den Städtebau, Wasserleitungen etc.. Namentlich bekannt war ihm sogar die Bleivergiftung (25). Auch heute noch ist das Vorhandensein von genügend und sauberem Wasser die wichtigste Voraussetzung für eine intakte (Stadt-) Hygiene. Zu Zeiten von Kaiser Augustus wurde in Verbindung mit Bauproblemen die wagemutige Behauptung aufgestellt, Malaria würde durch kleine Tiere oder Insekten aus den Sümpfen ausgelöst (1). Im Werk über den Landbau von Varro erwähnt dieser erstmals die "animalcula quaedam minuta", welche Malaria und andere endemische Krankheiten verbreiten. Überhaupt sind die hygienischen Anschauungen Varros sehr verständlich (25). In römischer Zeit wurden Valetudinarien gegründet. Dabei handelte es sich um spezielle Behandlungshäuser, in welchen u.a. mittellose Kranke, Sklaven und Söldner gepflegt und ärztlich betreut wurden.
Vergleichbar sind diese Behandlungshäuser mit den mittelalterlichen Hospitälern, den Vorläufern unserer heutigen Krankenhäuser und Behandlungszentren. Inwiefern in diesen Behandlungshäusern zahnmedizinische Eingriffe vorgenommen wurden bleibt unklar. Sicher ist, daß durch die Romanisierung das (zahn-medizinische Wissen auch in die Provinzen kam, aufgrund der Völkerwanderungen aber für lange Zeit wieder aus dem Bewußtsein verschwand. Leider geriet dieses Wissen und die "Kenntnis" über die Hygiene viele Jahrhunderte in Vergessenheit.